Deutschland wählt Merz – Ein Triumph mit
bitterem Nachgeschmack
Ahmad Al Omari
Das überraschende Scheitern im ersten
Wahlgang und der knappe Erfolg im zweiten werfen Fragen auf: Wie tragfähig ist
das Regierungsbündnis – und was bedeutet das für die politische Stabilität der
Bundesrepublik?
Am 6. Mai erlebte Deutschland einen
politischen Moment von Seltenheitswert: Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU
und Kandidat des konservativen Lagers für das Amt des Bundeskanzlers,
scheiterte im ersten Wahlgang im Bundestag an der absoluten Mehrheit. Und das,
obwohl sein Lager – bestehend aus CDU/CSU und SPD – rein rechnerisch über eine
gesicherte Mehrheit verfügt.
Ein Riss im Fundament der Macht Das
Resultat war mehr als eine bloße Panne: Es war ein Misstrauensvotum im eigenen
Lager. Sechs Stimmen fehlten Merz zur absoluten Mehrheit – ein klares Zeichen
für Risse innerhalb des Koalitionsgeflechts. Vor allem in der SPD rumorte es:
Mehrere Abgeordnete hatten ihre Vorbehalte gegen Merz und dessen politische
Ausrichtung offen artikuliert.
Sebastian Roloff,
SPD-Bundestagsabgeordneter, sagte nach der Abstimmung: „Ich folge meinem
Gewissen. Ein konservatives Projekt wie das von Herrn Merz kann ich nicht
mittragen.“ Und die SPD-Abgeordnete Annika Klose bezeichnete Merz als Vertreter
eines „harten neoliberalen Kurses, der soziale Gerechtigkeit zugunsten der steuerlichen
Entlastung für Reiche opfert“.
Erbe Merkel und fragile Allianzen
Koalitionen zwischen CDU/CSU und SPD sind in der deutschen Geschichte nicht
neu. Unter Angela Merkel war dieses Bündnis oft von Spannungen geprägt, zuletzt
bis zum Rückzug der SPD aus der Regierung 2018. Nun stellt sich erneut die
Frage, ob ein derartiges Zweckbündnis unter neuen politischen Vorzeichen stabil
sein kann.
Friedrich Merz gilt als Antipode zur
moderaten Merkel-Linie. Seine Positionen in Fragen wie Migration, Steuerpolitik
oder staatliche Leistungen sind deutlich konservativer. Innerhalb der SPD weckt
dies Erinnerungen an alte Bruchlinien.
Ein fragiler Sieg im Schatten der
Konzessionen Im zweiten Wahlgang erhielt Merz die nötige Mehrheit: 325 Stimmen
aus dem Regierungslager. Doch was geschah in den Stunden dazwischen?
Parlamentsnahe Quellen berichten von intensiven Verhandlungen hinter
verschlossenen Türen. Es soll Zusagen gegeben haben, unter anderem zur
Überarbeitung des sozialen Wohnungsbaus sowie zur Neubewertung der CO2-Steuer.
Diese Versprechen jedoch blieben informell.
Die politische Erfahrung lehrt: Was nicht schriftlich fixiert ist, bleibt
angreifbar. Ob Merz also auf einem stabilen Fundament steht oder lediglich auf
einem taktischen Balanceakt, wird sich zeigen.
Reaktionen von Opposition und
Öffentlichkeit Die Opposition zeigte sich erwartungsgemäß kritisch. Die Grünen
warnten vor einer Rückkehr zur Sparpolitik auf Kosten des Klimaschutzes. Die
Linke stellte die Frage, ob Merz in der Lage sei, das Regierungsbündnis
zusammenzuhalten, und erinnerte an das Scheitern der Großkoalition 2018.
In der Bevölkerung ist das Meinungsbild
gespalten. Laut einer Umfrage des Instituts Forsa unterstützen 52 Prozent der
konservativen Wähler das Ergebnis des zweiten Wahlgangs, während 48 Prozent der
SPD-Anhänger ihre Sorge äußerten, Merz könne die soziale Schere vertiefen.
Europa schaut mit Skepsis, auch
international wurde die Wahl aufmerksam verfolgt. Die französische "Le
Monde" sprach von einem "Weckruf für die parlamentarische Demokratie"
angesichts des zunehmenden Rechtspopulismus. Die "Financial Times"
hob hervor, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen Deutschlands –
verlangsamtes Wachstum, Energiepreise, Ukrainekrieg – zu einem Stresstest für
die neue Koalition werden könnten.
Merz zwischen Ambition und Zerreißprobe, er
bringt zweifellos politische Erfahrung und Rückhalt im konservativen Lager mit.
Doch seine Fähigkeit, eine Koalition mit einem ideologisch divergenten Partner
wie der SPD zu führen, steht in Frage. Zentrale Streitpunkte:
Migrationspolitik, Steuerrecht, Klimawandel und der künftige Kurs in der
Energiepolitik.
Ein Bündnis aus Zweifel geboren Der
Wahlsieg von Friedrich Merz im zweiten Anlauf ist kein vollwertiger Triumph,
sondern der Auftakt einer krisenanfälligen Regierungszeit. Die Koalition steht
unter Druck: Sie muss zeigen, dass sie trotz aller programmatischen Gegensätze
regierungsfähig ist.
Doch die ersten Signale mahnen zur Vorsicht
statt zum Optimismus. Laut dem Berliner Zentrum für politische Studien scheiterten
60 Prozent vergleichbarer Koalitionen vorzeitig, zuletzt die unter Olaf Scholz.
Internationale Konflikte, Inflation und soziale Spannungen könnten das neue
Bündnis schnell auf die Probe stellen.
Ob dieses Bündnis wirklich ein neues
Kapitel politischer Stabilität aufschlagen kann, bleibt fraglich – vieles
spricht für eine neue Phase der Fragmentierung.
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شكرا لك على التعليق ... دمتم بود (أحمد العمري)